[OPR] Schmitz: Media Linguistic Landscapes

Update (06.11.2018): Das Open Peer Review zu dieser Einreichung ist abgeschlossen. Auf Grundlage des Open Peer Reviews wurde der Artikel zur Veröffentlichung im Journal für Medienlinguistik angenommen und ist abrufbar unter: https://doi.org/10.21248/jfml.2018.5.

Auf dieser Seite können Sie das Diskussionspapier zu der Einreichung für das Journal für Medienlinguistik im PDF-Format herunterladen. Das Blogstract fasst die Einreichung allgemein verständlich zusammen. Sie können das Diskussionspapier und das Blogstract unter diesem Beitrag kommentieren. Bitte benutzen Sie hierfür Ihren Klarnamen. Bei Detailanmerkungen zum Diskussionspapier beziehen Sie sich bitte auf die Zeilennummerierung des PDFs.


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Blogstract zu

Media Linguistic Landscapes. Alle Linguistik sollte Medienlinguistik sein

von Ulrich Schmitz

Dieser Beitrag unterstützt eine steile These: Alle Linguistik sollte Medienlinguistik sein, ist es aber nicht. Das wird am Beispiel sichtbarer Zeichen im öffentlichen Raum vorgeführt. Öffentliche Räume wimmeln nur so von Wegweisern, Verkehrs- und anderen Schildern, Aufschriften, Inschriften, Werbeplakaten, Graffitis und Aufklebern aller Art.

Solche sprachlichen Landschaften werden von der Linguistic-Landscape-Forschung untersucht. Diese Forschungen aber gehören weder zum traditionellen Kern der Linguistik noch der Medienlinguistik. Und genau deshalb hat die Linguistic-Landscape-Forschung bei weitem nicht alle wissenschaftlichen Möglichkeiten ausgeschöpft.

Das ist sehr schade. Denn sichtbare Zeichen im öffentlichen Raum beeinflussen stark unser Alltagsleben: Auf allen Straßen, Plätzen, an Bahnhöfen usw. folgen wir ihrer Orientierung, unterwerfen uns ihren Regeln und nehmen mehr oder weniger unbewusst ihre informierenden, werbenden oder auf andere Weise Aufmerksamkeit heischenden Botschaften auf.

Um zu erfahren, wie solche Zeichen eigentlich funktionieren, wie und warum sie so platziert werden und gebaut sind, wie Text und Bild zusammenspielen, wie die Texte formuliert und gestaltet sind und wie wir damit umgehen, müssten eigentlich sämtliche wissenschaftlichen Register gezogen werden. Dem steht eine trennende Unterscheidung von Linguistik und Medienlinguistik im Wege.

Das gilt freilich nicht nur für den hier beispielhaft diskutierten Fall der Linguistic Landscapes, sondern für jegliche ganzheitliche Untersuchung von Sprache und Sprachgebrauch, wenn sie sich nicht auf eine ganz spezielle enge Frage konzentrieren möchte.

Der hier veröffentlichte Aufsatz behandelt die genannten Probleme zunächst an einem handfesten Beispiel: An einem halb eingerissenen politischen Plakat wird gezeigt, dass man sprachliche Regeln und Produkte zwar unabhängig von Medien und Handlungen untersuchen kann, dann aber nur zu beschränkten Ergebnissen gelangt. Danach werden verschiedene, oft sehr weite, vage oder vieldeutige Medienbegriffe diskutiert; und es wird vorgeschlagen, den Ausdruck „Medien“ für wissenschaftliche Zwecke möglichst eng zu fassen, und zwar als körperliche Organe oder technische Geräte zur Übermittlung von Botschaften. Damit wird „Medium“ eine von zehn Kategorien, in deren Zusammenspiel sämtliche für Sprache und Kommunikation relevanten Probleme und Aspekte sichtbar werden. (Die anderen neun sind Situation, Ziel, Material, Form, Zeichensystem, Modus, Kommunikationsform, Textsorte und Institution.) So wird klar, dass umfassend erkenntnisträchtige Linguistik stets auch Medienlinguistik ist.

Mit diesem Hintergrund im Gepäck durchwandert die zweite Hälfte des Beitrags ein sechshundert Meter langes Straßenstück in der Dortmunder Nordstadt. Dort gibt es 1829 sichtbare ortsfeste Zeichen, von denen 60 % nicht legitimiert (also transgressiv) angebracht wurden, z.B. als Graffiti oder Aufkleber. 17 Stück davon sind schwarze Aufkleber mit gelben „a cab“-Taxis – eine Ironisierung des in fast jeder Stadt oft zu sehenden Slogans „ACAB“ (für „All Cops Are Bastards“). Sind das viele oder wenige? Warum gerade hier? Warum so klein und mit so kurzem Text? Was daran ist typisch für Zeichen im öffentlichen Raum und was gerade nicht? Gibt es verwandte Erscheinungen in anderen Kommunikationsformen? Und wieso muss Linguistik Medienlinguistik sein, um das alles herauszufinden?

8 Replies to “[OPR] Schmitz: Media Linguistic Landscapes”

  1. Jannis AndroutsopoulosMai 18, 2018 at 12:35Reply

    Zwei Fragen zum Vortrags des Autors auf der jfml-Eröffnungstagung am 17.5.2018:

    1) Mir ist aufgefallen, dass die Beschreibungssprache des Autors/Vortragenden eine klare Grenzen zieht zwischen verbaler Sprache, die auf ihre morphologische, syntaktische usw. Reduktion hin untersucht wird, und sonstigen Modalitäten, die bloß nebenbei erwähnt werden. Müsste man in diesem Feld nicht vielmehr konsequent multimodal vorgehen und die Kategorie Sprache um alle verfügbaren semiotischen Ressourcen erweitern?

    2) Zum Beispiel a-cap: Müsste man hier nicht davon ausgehen, dass die nachgezeichnete Spur durch den öffentlichen Raum erst im Blick des Betrachters entsteht – und nicht zwingend so beabsichtigt war bzw. von anderen Betrachtenden auch so gesehen wird?

  2. Peter BackhausMai 26, 2018 at 00:42Reply

    Sehr geehrter Herr Professor Schmitz,

    ich habe Ihren Beitrag mit viel Interesse gelesen und möchte im nachfolgenden Gutachten auf einzelne Punkte genauer eingehen.

    Generell halte ich den Beitrag in puncto Originalität und Innovativität für sehr gelungen und sowohl sprachlich als auch inhaltlich ansprechend dargestellt. Ich möchte ihn daher ohne größere Einschränkungen zur Veröffentlichung empfehlen. Die folgenden Kommentare sind als Anregungen gedacht, die Sie vielleicht für eine weitere Überarbeitung in Erwägung ziehen möchten.

    Mein größtes (und im Prinzip auch einziges größeres) Problem betrifft die bereits im Titel genannte Hauptthese, dass „alle Linguistik Medienlinguisitik sein“ sollte. Ich finde, dass die Argumentation hierzu durchaus schlüssig ist, wozu besonders die kritische und sehr differenziert angelegte Diskussion zu den Begriffen „Medien“ und „Medium“ in Abschnitt 2 ihren Teil beiträgt. Auch der dort gemachten Beobachtung, dass “völlig gerätfrei verlaufende Kommunikationsereignisse zu fast schon altmodisch oder aber luxuriös anmutenden und relativ immer selteneren Ausnahmen” (185–188) geraten und dass daher eine grundsätzliche Trennung „zwischen biologischen Organen und technischen Geräten“ (208f) zumindest fragwürdig ist, kann ich – aus soziolinguistischer Sicht – folgen.

    Und dennoch sollte man fairerweise nicht ganz außer Acht lassen, dass auch die theoretische Linguistik immer noch Teil der Linguistik ist (und für viele in unserer Zunft Kernteil dieser) und dass hier nach wie vor Sprache als abstraktes System die Hauptgrundlage der Forschung darstellt. In diesem Sinne denke ich, dass Verweise auf die „Unzulänglichkeiten des in den 1960er bis 1980er Jahren hoch geschätzten Chomsky-Paradigmas“ (267f) oder die „überkommene Trennung zwischen sprachsystem- und sprachgebrauchs-orientierten Forschungsinteressen“ (277–79) etwas einseitig bzw. nicht ganz der Wirklichkeit entsprechend sind. Mein Vorschlag wäre, a) um diese Beobachtungen zu untermauern ein paar (idealerweise nicht primär soziolinguistisch/Diskurs-orientierte) Referenzen hinzuzufügen und/oder b) den Begriff „Linguistik“ als solchen entsprechend zu differenzieren (wie z.B. bereits geschehen in 233f, wo von „umfassend erkenntnisträchtige[r] Linguistik“ die Rede ist).

    Generell erscheint es mir wenig sinnvoll, „media linguistics“ mit Linguistik gleichzusetzen (369–371), weil dadurch einer der beiden Ausdrücke in der Konsequenz redundant wird und damit wäre wenig gewonnen. Ich verstehe, dass Klappern zum Handwerk gehört, und insofern sollte man – gerade in der Eröffnungsnummer einer Zeitschrift mit dem Titel Journal für Medienlinguistik – vielleicht nicht zu vorsichtig argumentieren. Aber auch als Kommentator der sich selbst beim besten Willen nicht als theoretischer Linguist versteht würde ich dazu raten, in Bezug auf das weite Feld der „Linguistik“ als solcher etwas differenzierter zu formulieren.

    Zwei weitere Begriffe, die noch etwas genauer besprochen werden sollten, sind „Zeichen“ und „semiotische Landschaft“. Ersterer scheint im Text durchgängig mit dem englischen „sign“ zu korrespondieren. Da beim deutschen Begriff allerdings, sowohl in seiner Alltags- als auch in seiner semiotischen Fachbedeutung, die Idee von „Schild“ nicht inkludiert ist, sollte man die spezielle Verwendung im vorliegenden Beitrag kurz erklären.

    Der Begriff „semiotische Landschaft“ wird nur einmal, zu Beginn der Analyse (441), erwähnt und erscheint mir hier etwas irreführend, weil der parallel verwandte Terminus „linguistic landscape“ im vorliegenden Beitrag außersprachliche Aspekte ja explizit mit einbezieht. Eine begriffliche (Er)klärung wäre hier sinnvoll (s. hierzu auch: Jaworski, Adam & Crispin Thurlow. 2010. Introducing semiotic landscapes. In Adam Jaworski & Crispin Thurlow (eds.), Semiotic landscapes: Language, image, space, 1–40. London & New York: Continuum.)

    Bezüglich der Methodik der LL-Analyse finde ich die gelegentliche Unterstützung der qualitativen Beobachtungen durch quantitative Ergebnisse sehr erkenntnisreich und überzeugend. Besonders zu nennen ist hier der Abschnitt von 417–448, wo das zahlenmäßige Verhältnis der einzelnen Schildtypen gegenübergestellt wird – ein Ansatz, dem z.B. in der genannten Publikation von Scollon & Scollon (2003), von denen diese Kategorisierung ja ursprünglich stammt, leider nicht nachgegangen wird. Der besseren Übersicht halber würde ich mir an der genannten Stelle noch eine Tabelle wünschen. Auch über weitere Quantifizierungen im Verlauf der Analyse könnte man nachdenken, so z.B. zu der Beobachtung, dass „die meisten aller Zeichen im öffentlichen Raum […] entweder ganz ohne lesbaren Text“ kommen oder „Text und Bild zu einer prägnanten einheitlichen Aussage” verknüpfen (450–453).

    Das verfolgte Prinzip, die genannten Fallbeispiele mit Worten zu beschreiben und nicht jedes einzelne mit dazugehörigem Foto zu dokumentieren, halte ich für sehr sinnvoll, gerade weil man bei aktuellen LL-Publikationen manchmal das Gefühl hat, mehr Bild als Text zu bekommen. Allerdings finde ich das Vorgehen hier fast ein bisschen zu rigoros und könnte mir gut vorstellen, von ein paar der ausführlicher besprochenen Beispiele auch noch ein Foto mitgeliefert zu bekommen. Da es sich hier um eine E-Publikation handelt, könnte man – falls technisch machbar – vielleicht auch mit Hyperlinks arbeiten (z.B. Fotos nur auf Klick).

    Ein letzter Punkt: Es wäre schön, am Ende von Sektion 1 noch einen kleinen Überblick zum Aufbau des Beitrags zu bekommen. Gerade weil die Struktur nicht ganz „Schema F“ ist – mit einem relativ langen Theorieteil und dann bei der Datenanalyse nochmal eine Teilung zwischen dem Fallbeispiel „a cab“ und weiteren, mehr allgemeinen Beobachtungen – wäre ein kleiner Fahrplan irgendwo zu Beginn sehr sinnvoll. Die Tatsache, dass die „a cab“-Beispiele von 5.1 in Sektion 6 wieder aufgegriffen und dort auch systematisch durch die 10 Kategorien durchdekliniert werden, halte ich für einen extrem starken Punkt. Auch hier würde ich vorher (Einleitung und/oder Ende von 5.1) nochmal darauf hinweisen, dass dies geschehen wird. [PS: Beim Hochladen dieses Kommentars habe ich gesehen, dass es ja ein Abstract gibt, das genau diesen Überblick bereits liefert. Ich habe keine genaue Vorstellung davon, ob der/die Leser/in das standardmäßig mitlesen oder gleich in die PDF-Datei springen wird. Ich denke aber, dass es in jedem Fall nichts schaden könnte, auch im Text selbst nochmal ein paar kurze Infos zum weiteren Verlauf zu bekommen.]

    ***
    Und hier noch ein paar kleinere Punkte, in chronologischer Reihenfolge:

    29f, “in eingängiger Reimform“: Hier könnte man noch hinzufügen, dass der geschriebene Text nicht ganz konsequent versucht, die Reimform abzubilden, da ansonsten der Zeilenumbruch nach „Versprechen“ und nicht nach „man“ kommen müsste. In puncto Modus scheint dem Visuellen (Sichtbarkeit des Mundes; symmetrisches Design) hier also klar stärkeres Gewicht zuzukommen als dem Rhythmus der gesprochenen Sprache.

    58–63, “…nicht emotionaler Anteilnahme”: Bin mir nicht ganz sicher, wie ich diesen Satz verstehen soll.

    151–162: Der besseren Übersicht halber, auch weil man im weiteren Verlauf noch mehr als einmal zurückblättern wird, würde ich die zehn Punkte im Listenformat darstellen.

    211f, „In der obigen Liste von zehn Kategorien fasse ich sie [hier würde ich ergänzen: in Punkt 7] als „Medien“ zusammen“

    257, „Mich aber“ => „Mich schon“ klingt für mich besser.

    775–777 “Nicht zuletzt geht es in jeglicher Kommunikation ja auch darum, eigene Identitäten auszubilden und zur Geltung zu bringen. In je mehr Zeichen wir uns bewegen, desto schwieriger ist das”: Verstehe ich ehrlich gesagt nicht recht.

    797–801, „…dass „Medium“ (übrigens in welcher Definition auch immer) lediglich eine von mehreren Dimensionen bezeichnet, die nur in ihrer jeweiligen Wechselwirkung sinnvoll verstanden werden können.“ Auch hier bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich das verstehen soll.

    ABSCHLIEẞENDES URTEIL
    Annahme mit Empfehlung, noch auf die genannten Punkte einzugehen (minor revisions)

    Mit den besten Grüßen,
    Ihr Peter Backhaus

    1. Matthias MeilerMai 28, 2018 at 09:37Reply

      Hinweis von den Herausgeber_innen:
      Die Blogstracts, die auf dp.jfml.org die Diskussionspapiere begleiten, werden nicht zusammen mit den akzeptierten Artikeln auf jfml.org publiziert, sondern sind an den Open-Peer-Review-Prozess gebunden.
      Siehe dazu auch: http://jfml.org/about > Blogstract.

  3. Ulrich SchmitzJuni 8, 2018 at 00:15Reply

    Lieber Herr Backhaus,

    haben Sie ganz herzlichen Dank für die sorgfältige Lektüre meines Beitrages und Ihr ausführliches und sehr hilfreiches Gutachten. Alle Ihre Argumente leuchten mir ein, und ich werde mich bemühen, sie bei der Überarbeitung meines Manuskriptes so gut wie möglich zu berücksichtigen. Ich bin sicher, dass der Beitrag dadurch gewinnen wird, und danke Ihnen sehr herzlich!

    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr Ulrich Schmitz

  4. Eva Martha EckkrammerJuli 13, 2018 at 15:28Reply

    Lieber Kollege Schmitz,
    ich habe Ihr Diskussionspapier „Media Linguistic Landscapes. Alle Linguistik sollte Medienlinguistik sein“ mit Freude gelesen und darf in der Folge meine Gedanken dazu formulieren.
    Herzlich
    Ihre
    Eva Martha Eckkrammer

    Für den Launch eines neuen Journals, das sich auch vorgenommen hat, die wissenschaftliche Kommunikations- und Diskussionskultur im Bereich der Medienlinguistik mit neuen Formaten und Abläufen anzuregen, ist der Eröffnungsbeitrag von Ulrich Schmitz ein Glücksfall. Denn es geht ihm nicht darum, wie der Titel es erahnen ließe, apodiktisch eine Position zu verteidigen, sondern vielmehr einen hinterfragenden Standpunkt – in etwa „sollte alle Linguistik Medienlinguistik sein?“ – einzunehmen, um die Bedingungen auszuloten, unter denen das Postulat im Titel sinnbringend verteidigt werden kann. Die Brille der Linguistic-Landscape-Forschung und – auf einer zweiten Ebene – der von Schmitz konturierten Sehflächenforschung führt dabei zu keiner Verengung der Perspektive, sondern zu einem weiten Blick sowie einer Herangehensweise, die auch nicht davor zurückschreckt, definitorisch entsprechend auszuholen.
    Das einführende Beispiel adressiert bereits die Mehrheit der nachfolgend thematisierten Herausforderungen einer Forschungsrichtung, die als Media Linguistic Landscapes bezeichnet wird und fungiert damit als virtuoser Türöffner für die anschließenden Ausführungen.
    In der Folge räumt der Autor der Grundfrage nach einem klar konturierten Medienbegriff, erheblichen Raum ein. Und das ist bitter notwendig. Denn kaum ein Begriff wurde in den letzten Jahren mehr strapaziert und diffuser verwendet als jener des Mediums. Bei all den zur Diskussion stehenden systemischen, technischen oder rein phänomenologischen Medienbegriffen drängt sich mitunter die Frage auf, was eigentlich kein Medium ist, oder ob etwas ohne die medientheoretische Diskussion überhaupt jemals zum Medium deklariert worden wäre. In der Tat stellt ein stark extensivierter Medienbegriff, wie er derzeit in Mode ist, auch für die Medienlinguistik eine zentrale Problemstelle dar, da sich die Disziplin in der Folge nur mit Schwierigkeiten unmissverständlich von anderen abzugrenzen vermag. So gibt etwa die seit Beginn des Jahrtausends virulente Diskussion in der Medienphilosophie einen Vorgeschmack darauf (cf. z.B. Münker/Roesler/Sandbothe 2003), was in der Linguistik noch an Diskussionsbedarf auf uns zukommt, v.a. wenn ein „medial turn“ in den Raum gestellt wird.
    Wie jedoch Medien von anderen gesellschaftlichen Funktionsbereichen präzise abgrenzen? Schmitz lotet anhand von zahlreichen – vor allem seitens der Linguistik eingebrachten – Definitionen den Medienbegriff pointiert aus, ohne jemals allzu polemisch zu agieren. Er reiht sich dezidiert nicht in die zumeist kumulativen medienwissenschaftlichen, medienphilosophischen und universellen Definitionen ein, sondern schlägt „handfeste und weitgehend herkömmliche“ Unterscheidungskriterien vor, die linguistisch praktikabel eine klare Abgrenzung erlauben und auch auf der analytischen Ebene stringent anwendbar sind: Medium als eine trennscharfe Kategorie, ein durchaus schwieriges Unterfangen angesichts der alltags- und wissenschaftssprachlichen Frequenz des Terminus.
    Die Trennschärfe hat im vorgeschlagenen Modell offensichtlich oberste Priorität und muss deshalb einer Überprüfung standhalten. Die Reihung der zehn Kategorien wird als solche zwar nicht als hierarchisch ausgewiesen, scheint dies jedoch trotzdem in gewissen Maßen zu sein (wechselseitige Bedingtheiten sind jedenfalls evident), eine Frage, welche die Leserschaft durchaus interessieren könnte.
    Wie schon in der Tradition der systemisch-funktionalen Linguistik stehen die (soziale) Situation und das Kommunikationsziel ganz oben (die Positionierung des Autors im Feld ist diesbezüglich eindeutig), wobei der Rezeptionseffekt, d.h. der unter Kategorie 2 gefasste kommunikative Erfolg, nur sehr begrenzt wissenschaftlich greifbar scheint. Hier wünscht man sich durchaus weiterreichende Ausführungen, denn die Intention des Textes liegt im Auge des Senders, der konkrete Erfolg lässt sich nur rezeptionsanalytisch ablesen und kann sich über die Zeit auch grundlegend verändern (der Blick auf die transgressiven Textbeispiele aus Abschnitt 5 macht dies sehr deutlich, aber auch die Alterität historischer „Sprachlandschaften“ ließe sich hier ins Treffen führen).
    Die an dritter und vierter Position eingeführte Unterscheidung zwischen Material und geformter Materie, greift die von Raible (2006, 11) vehement eingeforderte Unterscheidung zwischen Speicher- und Trägermedium folgerichtig auf. Aber die Begriffe verfügen alltagssprachlich über geringe Trennschärfe und geformte Materie scheint auch wissenschaftlich im jeweiligen Fach erklärungsbedürftig (in der Linguistik ist sie es in jedem Fall), zumal beispielhaft Schallwellen und Pixel angeführt werden. Erst im Schlusskapitel (Zeile 744) wird die vierte Kategorie als Form bezeichnet und damit wesentlich anschaulicher, aber sie bliebt noch stets ambivalent. Hier greift scheinbar das gesamte Inventar der Basismedientechniken – Ton, Bild, Buchstabe, Zahl – in konkreter multimodaler Verschränkung ineinander und muss entsprechend aufgedröselt werden. Dies dürfte auch deutlicher zum Ausdruck kommen.
    Unter das in der fünften Kategorie angeführte Zeichensystem könnte man nicht nur verschiedene sprachliche Systeme (Deutsch, Englisch, Französische, Hindi, österreichische Gebärdensprache etc.) fassen, sondern auch divergente Schriftsysteme. Zumindest wird das begrifflich nicht ausgeschlossen. Dies ist insofern problematisch, da Sprachen auch mit verschiedenen Zeichensystemen geschrieben werden können, z.B. Rumänisch. Sinnvoller einsortieren lässt sich das schriftsprachliche Zeichensystem deshalb unter dem Modus (Kategorie 6), so dass innerhalb der Schriftlichkeit ausdifferenziert werden kann, ob die verwendete Sprache in einem Kommunikat (in verschiedenen Epochen) etwa mit kyrillischen oder lateinischen Buchstaben dargestellt ist. So zutreffend hier der Begriff des Modus ist, so sehr vermisst man im Anschluss an das einflussreiche Modell von Koch/Österreicher (1985 etc.) die Ebene der Konzeption, v.a. unter Berücksichtigung der Ausführungen zu digitalen Kontexten. Denn die Konzeption kann auch einer Kommunikationsform (Kategorie 8) nicht fest zugeordnet werden, bestenfalls einer Textsorte (eine breite Auslegung ist in der aktuellen Textsortenlinguistik die Regel, d.h. Text-Bild-Sorte gar nicht zwingend notwendig) aufgrund ihrer inhaltlichen wie funktional klaren Motive. Aber auch hier können innerhalb einer Textsorte, v.a. in komputervermittelten Kommunikaten wie z.B. einer Facebook-Kontaktanzeige, konzeptionell mündliche mit konzeptionell schriftlichen Exemplaren konkurrieren.
    Die Notwendigkeit der Differenzierung der Institution als zehnte Kategorie liegt auf der Hand, da die metonymische Bedeutungsverengung des Begriffs Medium/Medien hier besondere Unschärfen erzeugt (cf. u.a. Raible 2006, 14).
    Bei den vorgestellten Kategorien bleibt für das Medium als siebter Kategorie nur mehr das primäre Werkzeug der Kommunikation – das Kommunikationsgerät. Der Begriff ist in der Tat etwas befremdlich, aber auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen gut erklärt in der Form des Körpers oder entsprechendem technischem Gerät. Nimmt der Körper diese Funktion wahr, indem er etwa einen Füller in die Hand nimmt, um durch aus diesem stammender Materie (Tinte), geformte Materie (Buchstaben, Zahlen, Bilder) auf Papier zu erzeugen, dann wäre nach diesem Ansatz nur der Körper das Medium. Medienbegrifflich plädiert der Autor damit für einen deutlich intensionalen Ansatz, der sich für den analytischen Zugang zweifellos als sinnvoll erweist, für die Denomination eines ganzen Forschungsfeldes jedoch weniger praktikabel erscheint. Denn das, was heute alles unter dem Dach der Medienlinguistik beforscht wird, betrifft eine große Bandbreite von Medienbegriffen, in der etwa z.B. vorrangig die institutionelle Ebene der Massenmedien als Unterscheidungsmerkmal herangezogen wird, wenngleich der Blick auf die sprachlichen Phänomene eine einigende Funktion ausübt. Schmitz stellt sich jedoch nicht gegen andere Definitionen (siehe etwa Fußnote 11), sondern bietet durch seine medienlinguistische Erweiterung der Linguistic Landscape Forschung einen praktikablen Zugang.
    Der Beitrag birgt zudem einen wertvollen Einblick in die quantitative Zuordnung von Zeichen zu Diskurstypen (infrastrukturell, regulatorisch, kommerziell, transgressiv) und verdeutlicht den starken Standardisierungsgrad bei offiziellen Zeichen genauso gut wie die Tendenz, dass mehr Design zu weniger Grammatik führt, bei einer klaren Aufgabenteilung.
    Mich hat der Beitrag in jedem Fall davon überzeugt, dass wir Klarheit über die von großer Diversität geprägten Medienbegriffe brauchen und alle Linguistik, die sich der pragmatischen Wende verpflichtet fühlt, in der Tat Medienlinguistik sein sollte, in dem Sinne, dass sie die Ebene des Mediums in der jeweiligen Definitorik entsprechend berücksichtigt. Daraus ergibt sich allerdings die dringende Notwendigkeit, eine Diskussion über eine mögliche mediale Wende zu führen, wie dies etwa in der Medienphilosophie bereits der Fall ist (vielleicht im jfml?).
    Analytisch überzeugt der Beitrag dahingehend, dass nicht nur die hier unmissverständlich intensionale Kategorie des Mediums Berücksichtigung findet, sondern eben alle zehn Kategorien, über die ein weiteres intensives Nachdenken in punkto Trennschärfe in jedem Fall lohnt. Denn, und auch das geht sehr klar aus den Ausführungen hervor, der situationsgebundene Sprachgebrauch regiert über das Sprachsystem, determiniert dieses, so dass gerade multimodale Kommunikate auf rein strukturlinguistischer Basis nicht erklärbar sind. Medienlinguistik ist damit zur Erklärung dessen, was in den analogen und digitalen Textwelten kommunikativer Haushalte heute passiert geradezu unabdingbar. Erst durch sie können sprachliche Zeichen raum-zeitlich besser lokalisiert werden und in ihrer konkreten kontextgebundenen Aussage und Ausprägung erklärt (u.a. randgrammatische Phänomene).
    In diesem Sinne, erscheint mir der Beitrag als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen bestens geeignet. Eine Publikation, vielleicht mit einigen kleinen Ergänzungen, ist in jedem Fall ein Gewinn für das Fach.

    Koch, Peter/Wulf Österreicher, 1985. Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanistisches Jahrbuch 36, 15-43.

    Münker, Stefan/Alexander Roesler/Mike Sandbothe (Hrsg.), 2003. Medienphilosophie. Beiträge zur Klärung des Begriffs. Frankfurt a.M.: Fischer.

    Raible, Wolfgang, 2006. Medien-Kulturgeschichte. Mediatisierung als Grundlage unserer kulturellen Entwicklung. Heidelberg: Winter.

    Nachbemerkung zur redaktionellen Weiterbearbeitung

    Formalia sind nur sehr wenige zu überarbeiten, notwendig ist vor allem ein genauer Blick auf die Worttrennung (u.a. Zeile42/43, 404/405). Die Wiederholung des Storenamens (Zeile 617) bitte überprüfen.

  5. Ulrich SchmitzAugust 15, 2018 at 13:12Reply

    Liebe Frau Eckkrammer,
    ich danke Ihnen sehr herzlich für die intensive kritische Lektüre meines Manuskripts und die wertvollen Anregungen. Ich bemühe mich, bei der Überarbeitung alle Ihre Gedanken und Vorschläge möglichst gut zu berücksichtigen.
    Mit freundlichem Gruß
    Ulrich Schmitz

  6. Ulrich SchmitzAugust 21, 2018 at 13:50Reply

    Aufgrund der vielen Anregungen habe ich mein Manuskript gern und aus meiner Sicht mit Gewinn überarbeitet. Hier zunächst meine Antworten auf Peter Backhaus (Zitate aus dem Gutachten in Anführungszeichen, meine Kommentare beginnen jeweils mit drei Sternchen):

    „Und dennoch sollte man fairerweise nicht ganz außer Acht lassen, dass auch die theoretische Linguistik immer noch Teil der Linguistik ist (und für viele in unserer Zunft Kernteil dieser) und dass hier nach wie vor Sprache als abstraktes System die Hauptgrundlage der Forschung darstellt. In diesem Sinne denke ich, dass Verweise auf die „Unzulänglichkeiten des in den 1960er bis 1980er Jahren hoch geschätzten Chomsky-Paradigmas“ (267f) oder die „überkommene Trennung zwischen sprachsystem- und sprachgebrauchs-orientierten Forschungsinteressen“ (277–79) etwas einseitig bzw. nicht ganz der Wirklichkeit entsprechend sind. Mein Vorschlag wäre, a) um diese Beobachtungen zu untermauern ein paar (idealerweise nicht primär soziolinguistisch/Diskurs-orientierte) Referenzen hinzuzufügen und/oder b) den Begriff „Linguistik“ als solchen entsprechend zu differenzieren (wie z.B. bereits geschehen in 233f, wo von „umfassend erkenntnisträchtige[r] Linguistik“ die Rede ist).“

    *** Sie haben völlig Recht, und ich habe dem durch leichte Umformulierungen an verschiedenen Stellen und zwei stellvertretende Verweise in Anm. 23 Rechnung getragen.

    „Generell erscheint es mir wenig sinnvoll, „media linguistics“ mit Linguistik gleichzusetzen (369–371), weil dadurch einer der beiden Ausdrücke in der Konsequenz redundant wird und damit wäre wenig gewonnen. Ich verstehe, dass Klappern zum Handwerk gehört, und insofern sollte man – gerade in der Eröffnungsnummer einer Zeitschrift mit dem Titel Journal für Medienlinguistik – vielleicht nicht zu vorsichtig argumentieren. Aber auch als Kommentator der sich selbst beim besten Willen nicht als theoretischer Linguist versteht würde ich dazu raten, in Bezug auf das weite Feld der „Linguistik“ als solcher etwas differenzierter zu formulieren.“

    *** Das eröffnet ein weites Feld zur Diskussion. Damit es innerhalb dieses Aufsatzes nicht zu ausführlich wird, begnüge ich mich hier mit einer neuen Anm. 35.

    „Zwei weitere Begriffe, die noch etwas genauer besprochen werden sollten, sind „Zeichen“ und „semiotische Landschaft“. Ersterer scheint im Text durchgängig mit dem englischen „sign“ zu korrespondieren. Da beim deutschen Begriff allerdings, sowohl in seiner Alltags- als auch in seiner semiotischen Fachbedeutung, die Idee von „Schild“ nicht inkludiert ist, sollte man die spezielle Verwendung im vorliegenden Beitrag kurz erklären.“

    *** „Zeichen“ wird an einigen Stellen auch in einem weiteren Sinne verwendet. Wo es aber ans Eingemachte geht (in Abschnitt 5), umfasst der Begriff außer „sign“ auch Plakate, Aufkleber und Graffiti. Deshalb habe ich eine neue Fußnote 38 eingefügt.

    „Der Begriff „semiotische Landschaft“ wird nur einmal, zu Beginn der Analyse (441), erwähnt und erscheint mir hier etwas irreführend, weil der parallel verwandte Terminus „linguistic landscape“ im vorliegenden Beitrag außersprachliche Aspekte ja explizit mit einbezieht. Eine begriffliche (Er)klärung wäre hier sinnvoll.“

    *** Das muss ich leider auch in einer Fußnote (neu Nr. 28) abhandeln, weil der Text sonst aus dem Gleichgewicht geriete. Das Nachdenken über diesen Punkt hat aber zusätzliche Klarheit gebracht.

    „Bezüglich der Methodik der LL-Analyse finde ich die gelegentliche Unterstützung der qualitativen Beobachtungen durch quantitative Ergebnisse sehr erkenntnisreich und überzeugend. Besonders zu nennen ist hier der Abschnitt von 417–448, wo das zahlenmäßige Verhältnis der einzelnen Schildtypen gegenübergestellt wird – ein Ansatz, dem z.B. in der genannten Publikation von Scollon & Scollon (2003), von denen diese Kategorisierung ja ursprünglich stammt, leider nicht nachgegangen wird. Der besseren Übersicht halber würde ich mir an der genannten Stelle noch eine Tabelle wünschen. Auch über weitere Quantifizierungen im Verlauf der Analyse könnte man nachdenken, so z.B. zu der Beobachtung, dass „die meisten aller Zeichen im öffentlichen Raum […] entweder ganz ohne lesbaren Text“ kommen oder „Text und Bild zu einer prägnanten einheitlichen Aussage” verknüpfen (450–453).

    *** Sowohl eine Tabelle als auch die Zahlen zu den Zeilen 450-453 (in einer neuen Anm. 40) füge ich ein. Auf weitere Zahlen verzichte ich bewusst, weil die im Rahmen dieses Aufsatzes keine tragende Rolle spielen.

    „Das verfolgte Prinzip, die genannten Fallbeispiele mit Worten zu beschreiben und nicht jedes einzelne mit dazugehörigem Foto zu dokumentieren, halte ich für sehr sinnvoll, gerade weil man bei aktuellen LL-Publikationen manchmal das Gefühl hat, mehr Bild als Text zu bekommen. Allerdings finde ich das Vorgehen hier fast ein bisschen zu rigoros und könnte mir gut vorstellen, von ein paar der ausführlicher besprochenen Beispiele auch noch ein Foto mitgeliefert zu bekommen.“

    *** Ich hatte bewusst nur ganz wenige Bilder gewählt, um die LeserInnen nicht von der Argumentation abzulenken. Dabei möchte ich auch gern bleiben, werde aber in einem Anhang vier zusätzliche Bilder beigeben, auf die im Text dann verwiesen wird.

    „Es wäre schön, am Ende von Sektion 1 noch einen kleinen Überblick zum Aufbau des Beitrags zu bekommen.“

    *** Die Redaktion hatte ein „Blogstract“ erbeten, so dass im Aufsatz selbst kein Abstract mehr erschien. Ich stelle dem Aufsatz jetzt ein längeres Abstract samt Ausblick auf die Gliederung voran.

    „Z. 29f, “in eingängiger Reimform“: Hier könnte man noch hinzufügen, dass der geschriebene Text nicht ganz konsequent versucht, die Reimform abzubilden, da ansonsten der Zeilenumbruch nach „Versprechen“ und nicht nach „man“ kommen müsste. In puncto Modus scheint dem Visuellen (Sichtbarkeit des Mundes; symmetrisches Design) hier also klar stärkeres Gewicht zuzukommen als dem Rhythmus der gesprochenen Sprache.“

    *** Dieser Hinweis hat mich noch einmal gründlich nachdenken lassen. Daraus entstand die neue Anmerkung 6.

    „58–63, “…nicht emotionaler Anteilnahme”: Bin mir nicht ganz sicher, wie ich diesen Satz verstehen soll.

    *** Vielleicht wird das durch das neu eingefügte Komma und „also“ klarer.

    „151–162: Der besseren Übersicht halber, auch weil man im weiteren Verlauf noch mehr als einmal zurückblättern wird, würde ich die zehn Punkte im Listenformat darstellen.

    *** Ja, unbedingt, da hätte ich selbst drauf kommen sollen!

    „211f, „In der obigen Liste von zehn Kategorien fasse ich sie [hier würde ich ergänzen: in Punkt 7] als „Medien“ zusammen“

    *** OK.

    „257, „Mich aber“ => „Mich schon“ klingt für mich besser.

    *** OK (nämlich weniger frech).

    „775–777 “Nicht zuletzt geht es in jeglicher Kommunikation ja auch darum, eigene Identitäten auszubilden und zur Geltung zu bringen. In je mehr Zeichen wir uns bewegen, desto schwieriger ist das”: Verstehe ich ehrlich gesagt nicht recht.“

    *** Vielleicht macht die kleine Ergänzung „für jede(n) Einzelne(n)“ das etwas klarer.

    „797–801, „…dass „Medium“ (übrigens in welcher Definition auch immer) lediglich eine von mehreren Dimensionen bezeichnet, die nur in ihrer jeweiligen Wechselwirkung sinnvoll verstanden werden können.“ Auch hier bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich das verstehen soll.

    *** Oh, die „Wechselwirkung“ muss da im Plural stehen, vielen Dank!

    Und vor allem auch insgesamt noch einmal ganz herzlichen Dank für dieses sehr detaillierte und hilfreiche Gutachten!

  7. Ulrich SchmitzAugust 21, 2018 at 13:59Reply

    Und hier meine Antworten auf Eva Martha Eckkrammer (Zitate aus dem Gutachten in Anführungszeichen, meine Kommentare beginnen jeweils mit drei Sternchen):

    „Die Reihung der zehn Kategorien wird als solche zwar nicht als hierarchisch ausgewiesen, scheint dies jedoch trotzdem in gewissen Maßen zu sein (wechselseitige Bedingtheiten sind jedenfalls evident), eine Frage, welche die Leserschaft durchaus interessieren könnte.“

    *** Diese wichtige Frage eröffnet eine breite Diskussion, die wohl nur auf empirischer Grundlage sinnvoll geführt werden kann. Deshalb, glaube ich, würde sie im Rahmen dieses Aufsatzes zu weit führen. In einer kurzen Passage an der entsprechenden Stelle werde ich aber knapp darauf eingehen.

    „Wie schon in der Tradition der systemisch-funktionalen Linguistik stehen die (soziale) Situation und das Kommunikationsziel ganz oben (die Positionierung des Autors im Feld ist diesbezüglich eindeutig), wobei der Rezeptionseffekt, d.h. der unter Kategorie 2 gefasste kommunikative Erfolg, nur sehr begrenzt wissenschaftlich greifbar scheint. Hier wünscht man sich durchaus weiterreichende Ausführungen, denn die Intention des Textes liegt im Auge des Senders, der konkrete Erfolg lässt sich nur rezeptionsanalytisch ablesen und kann sich über die Zeit auch grundlegend verändern (der Blick auf die transgressiven Textbeispiele aus Abschnitt 5 macht dies sehr deutlich, aber auch die Alterität historischer „Sprachlandschaften“ ließe sich hier ins Treffen führen).“

    *** Dito: Zu all dem könnte man erheblich mehr schreiben. Das würde aber, scheint mir, Rahmen und Zweck dieses Aufsatzes sprengen.

    „Die an dritter und vierter Position eingeführte Unterscheidung zwischen Material und geformter Materie, greift die von Raible (2006, 11) vehement eingeforderte Unterscheidung zwischen Speicher- und Trägermedium folgerichtig auf.“

    *** Das sehe ich etwas anders (oder verstehe es nicht richtig). Unbedingt nenne ich jetzt aber in Anm. 10 die definitorischen Passagen von Raible 2006; das hätte ich schon vorher tun sollen.

    „Aber die Begriffe verfügen alltagssprachlich über geringe Trennschärfe und geformte Materie scheint auch wissenschaftlich im jeweiligen Fach erklärungsbedürftig (in der Linguistik ist sie es in jedem Fall), zumal beispielhaft Schallwellen und Pixel angeführt werden. Erst im Schlusskapitel (Zeile 744) wird die vierte Kategorie als Form bezeichnet und damit wesentlich anschaulicher, aber sie bliebt noch stets ambivalent. Hier greift scheinbar das gesamte Inventar der Basismedientechniken – Ton, Bild, Buchstabe, Zahl – in konkreter multimodaler Verschränkung ineinander und muss entsprechend aufgedröselt werden. Dies dürfte auch deutlicher zum Ausdruck kommen.“

    *** Auch hier mache ich es mir leicht. Denn es ist mir nicht möglich, dieses allerdings wichtige Thema in diesem Rahmen detailliert auszuführen. Das müsste ich dann, denke ich, für die anderen zehn Kategorien auch tun.

    „Unter das in der fünften Kategorie angeführte Zeichensystem könnte man nicht nur verschiedene sprachliche Systeme (Deutsch, Englisch, Französisch, Hindi, österreichische Gebärdensprache etc.) fassen, sondern auch divergente Schriftsysteme. Zumindest wird das begrifflich nicht ausgeschlossen.“

    *** Das stimmt, allerdings hatte ich nicht daran gedacht.

    „Dies ist insofern problematisch, da Sprachen auch mit verschiedenen Zeichensystemen geschrieben werden können, z.B. Rumänisch.“

    *** DAS wäre, wie ich es verstehe, wohl kein Problem, sondern die Tatsache, dass (z.B.) „Französisch“ und „lateinische Schrift“ auf verschiedenen Ebenen liegen.

    „Sinnvoller einsortieren lässt sich das schriftsprachliche Zeichensystem deshalb unter dem Modus (Kategorie 6), so dass innerhalb der Schriftlichkeit ausdifferenziert werden kann, ob die verwendete Sprache in einem Kommunikat (in verschiedenen Epochen) etwa mit kyrillischen oder lateinischen Buchstaben dargestellt ist.“

    *** So kann man das durchaus sehen. Es wirft aber einige Probleme auf, weil (z.B.) „arabische Schriftzeichen“ und „Bild“ auf verschiedenen Ebenen liegen. Auch das kann ich in diesem Rahmen nicht hinreichend intensiv diskutieren.

    „So zutreffend hier der Begriff des Modus ist, so sehr vermisst man im Anschluss an das einflussreiche Modell von Koch/Österreicher (1985 etc.) die Ebene der Konzeption, v.a. unter Berücksichtigung der Ausführungen zu digitalen Kontexten.“

    *** Ich glaube, dass man Koch/Oesterreichers „Konzeption“ nur in bestimmten Kontexten (dort allerdings ausgesprochen sinnvoll) verwenden kann. So weit ich sehe, hat der Begriff nicht den gleichen Status wie die anderen zehn Kategorien. Auch müsste er umfassender ausgearbeitet werden: Gibt es zum Beispiel eine „konzeptionelle statische Bildlichkeit“ (oder differenzierter „konzeptionelle Ikonizität“, „Diagrammatizität“ etc.), analog auch eine „konzeptionelle dynamische Bildlichkeit“ etc.? Und schließlich ist ihr Gegenbegriff „medial“ (als Terminus) nicht angemessen, auf den hier dann ja einzugehen wäre.

    „Denn die Konzeption kann auch einer Kommunikationsform (Kategorie 8) nicht fest zugeordnet werden, bestenfalls einer Textsorte (eine breite Auslegung ist in der aktuellen Textsortenlinguistik die Regel, d.h. Text-Bild-Sorte gar nicht zwingend notwendig) aufgrund ihrer inhaltlichen wie funktional klaren Motive. Aber auch hier können innerhalb einer Textsorte, v.a. in komputervermittelten Kommunikaten wie z.B. einer Facebook-Kontaktanzeige, konzeptionell mündliche mit konzeptionell schriftlichen Exemplaren konkurrieren.“

    *** Eine eingehendere Behandlung der angedeuteten Probleme brächte, scheint mir, ein starkes Ungleichgewicht in den Aufsatz. Immerhin werde ich Koch/Oesterreicher in einem anderen Zusammenhang in einer neuen Anm. 6 erwähnen.

    „Die Notwendigkeit der Differenzierung der Institution als zehnte Kategorie liegt auf der Hand, da die metonymische Bedeutungsverengung des Begriffs Medium/Medien hier besondere Unschärfen erzeugt (cf. u.a. Raible 2006, 14).“

    *** Ich scheine zu kneifen, aber auch hier: Das erfordert vergleichsweise umfangreiche Ausführungen auf empirischer Grundlage. In diesem Rahmen kann zumindest ich (möglicherweise auch man) das nicht leisten.

    „Bei den vorgestellten Kategorien bleibt für das Medium als siebter Kategorie nur mehr das primäre Werkzeug der Kommunikation – das Kommunikationsgerät. Der Begriff ist in der Tat etwas befremdlich, aber auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen gut erklärt in der Form des Körpers oder entsprechendem technischem Gerät. Nimmt der Körper diese Funktion wahr, indem er etwa einen Füller in die Hand nimmt, um durch aus diesem stammender Materie (Tinte), geformte Materie (Buchstaben, Zahlen, Bilder) auf Papier zu erzeugen, dann wäre nach diesem Ansatz nur der Körper das Medium.“

    *** Darauf wäre ich nicht gekommen. In diesem Fall, so meine ich, ist der Füller das Medium. So gesehen ist der menschliche Körper an jeglicher Kommunikation beteiligt. Etwas weiter gedacht wäre auch das Gehirn als Medium zu bezeichnen, und das führt zu keiner Erkenntnis. Durch Anm. 14 hoffe ich, solche Lesarten zumindest ein wenig vermeiden zu können. Darüber muss ich aber noch besser nachdenken.

    „Die Wiederholung des Storenamens (Zeile 617) bitte überprüfen.“

    *** Die irritiert, ist aber richtig. Ich werde an dieser Stelle auf die hier zitierte und in einem neuen Anhang wiedergegebene Abbildung verweisen.

    *** Vor allem aber möchte ich ganz herzlich für die intensive kritische Lektüre und die vielen sehr hilfreichen Anregungen danken! Leider kann ich einige wichtige Einwände und Vorschläge im Rahmen dieses Aufsatzes nicht zufriedenstellend aufgreifen, weil er dann arg aus den Fugen geraten würde. Ich freue mich aber auf möglicherweise nachfolgende Diskussionen.

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