[OPR]: Meier-Vieracker: Klatsche oder Kantersieg? Framesemantische Analysen zur Perspektivierung in Fußballspielberichten

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Klatsche oder Kantersieg? Framesemantische Analysen zur Perspektivierung in Fußballspielberichten

von Simon Meier-Vieracker

Während der Fußballjournalismus wenigstens bei Wettbewerben auf nationaler Ebene zu weitgehend neutraler Berichterstattung verpflichtet ist, hat die vereinseigene Berichterstattung etwa auf Homepages geradezu umgekehrt die Pflicht, mit Blick auf die Zielgruppe der eigenen Fans parteiisch, d.h. einseitig wertend über Fußballspiele zu berichten. Beim Wettkampfsport Fußball, bei dem immer zwei Teams gegeneinander antreten, wird das besonders augenfällig, da beide Vereine aus ihrer jeweiligen Perspektive über das gleiche Ereignis berichten. Der Beitrag untersucht deshalb ein Korpus von 582 Fußballspielberichten aus der Bundesligasaison 2019/20, die auf den Homepages der Vereine publiziert wurden, auf die dort zum Einsatz kommenden sprachlichen Mittel der Perspektivierung.

Als theoretische Grundlage dient die Frame-Semantik, die darauf abzielt, das verstehensrelevante Wissen in seiner Organisation und Funktion für die Sprachproduktion und -rezeption zu modellieren und mit semantisch-syntaktischen Mustern zu korrelieren. Für die medienlinguistische Fragestellung des Beitrags besonders anschlussfähig ist dabei die Idee, dass Wörter und ihre jeweiligen syntaktischen Einbettungen bestimmte Frames evozieren, die wiederum perspektivierend wirken, indem sie bestimmte Aspekte der verbalisierten Szenen hervorheben und andere in den Hintergrund rücken und dadurch auch Wertungen transportieren können. Dieser Grundidee folgt auch das framesemantisch fundierte elektronische Fußballwörterbuch Kicktionary, auf dessen lexikographische Einträge sich die framesemantische Analyse deshalb stützen kann. Die je unterschiedliche Perspektivierung wird so als divergierendes Framing operationalisierbar.

Der Beitrag kombiniert hierfür quantitative und qualitative Analysemethoden. In einem ersten Schritt werden mit dem korpuskontrastiven Verfahren der Keywordanalyse jeweils typische Lexeme für Berichte über Siege und Niederlagen ermittelt, die bereits erste Hinweise auf divergierendes Framing geben. Zur domänenspezifischen Fokussierung werden in einem zweiten Schritt automatisierte, auf dem Kicktionary basierende framesemantische Annotationen wiederum kontrastiv ausgezählt. Die quantitativen Befunde werden schließlich in einem dritten Schritt in einer an einzelnen Spielszenen orientierten qualitativen Analyse weiter angereichert. Diese zeigt u.a., dass die in den frame-evozierenden lexikalischen Einheiten bereits angelegten Perspektivierungen zu kohärenten textuellen Bewertungen ausgebaut werden, wenn etwa vergebene Torchancen von der einen Seite als unglückliches Scheitern am gegnerischen Torhüter, von der anderen Seite als gekonnte Abwehr des Schusses beschrieben wird.

Die framesemantische Modellierung der Fußballberichterstattung, die nach dem verstehensrelevanten Wissen fragt, das die Produktion und Rezeption der Spielberichte fundiert, und die empirischen Analysebefunde zeigen, dass dieses Wissen zu maßgeblichen Teilen Bewertungswissen ist. Das journalistische Fußballwissen, das die Autor*innen der Berichte ausstellen müssen und das sie als Expert*innen legitimiert, beinhaltet also nicht nur die Kompetenz, das Geschehen auf dem Fußballplatz korrekt verbalisieren zu können. Ebenso wichtig ist die Kompetenz, die parteiischen Lesende zu informieren und auch in ihrer Parteinahme zu adressieren.

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